Die letzten Monate verbrachte ich damit ein besseres Verständnis für das Lauf-Anschiessen (barrel-breaking, Lauf brechen) und Laufreinigung zu erhalten. Was soll man machen, was kann man machen und was sollte man nicht tun. Beim Anschiessen, werden fertigungstechnische Reste und Störungen im Laufinneren beseitigt und glattgedrückt um die grundlegende Präzision des Laufs zu erhöhen. Zugegeben, dies hat bei Präzisionsläufen Relevanz. Bei einem hartverchromten Lauf aus dem Freizeitsektor spielen diese Faktoren dieser Überlegung eine untergeordnete Rolle, können aber die Lebensdauer wirklich verlängern und schaden tut’s auch nicht.
Dazu habe ich mich in der einschlägigen Literatur belesen, Unterhaltungen mit Erdenbewohnern geführt und Folgendes herausgefunden: “Was für die Einen funktioniert, funktioniert für andere nicht.” So, damit lässt sich nicht viel anfangen, wenn man verstehen will was wirklich passiert. Mit dem Hintergrund eines Ingenieurs tut man dann eigentlich immer dasselbe, wenn es nicht funktioniert oder diffus erscheint. Man geht zurück auf die ursprünglichen Spezifikationen. Ich unterhielt mich mit Metallurgen, die mir erklärt haben was eigentlich genau an Physik und Chemie im Lauf abläuft. Aus wissenschaftlicher Sicht waren sich die Metallurgen einig.
Anschiessen / Barrel-Breaking
Erstens, Barrel-Breaking hält Matchlauf-Hersteller am Leben. Nirgends werden soviele Läufe beschädigt wie beim Anschiessen mit gut gemeinten, aber teils fatalen Ratschlägen. Das oft propagierte Schiessen-Putzen-Schiessen-Putzen schadet dem Lauf mehr als es nützt. Warum? Ein gutes Beispiel ist ein Automotor. Warum braucht der Motor Öl? Um Metall-auf-Metall-Kontakt zu verhindern und damit die Reibung zwischen den Metalloberflächen zu minimieren. Der Büchsenlauf ist diesbezüglich nichts anderes.
Untersuchungen auf dem Aberdeen Proving Ground zeigten, dass beim Anzünden der Treibladung in der Patrone überraschende innenballistische Effekte passieren. Wenn das Zündhütchen abgeschlagen wird und zündet, bildet sich genug Druck in der Hülse um den Ausziehwiderstand zu Überwinden. Das Geschoss bewegt sich aus der Hülse hinaus und setzt sich in den Zügen. Dabei steigt der Widerstand an und das Geschoss stoppt für einen Moment. Zwischenzeitlich hat das Zündhütchen ebenfalls das Treibmittel angezündet, dieses verbrennt und der Druck steigt weiter an. Damit setzt sich das Geschoss auch wieder in Bewegung und stoppt erneut, weil der Widerstand mit abnehmenden Freiflugdurchmesser zunimmt. Steht nun während des Pulververbrennens genug Gasdruck zur Verfügung, setzt sich das Geschoss wieder in Bewegung, rauscht durch den Lauf und verlässt die Büchse. Das Geschoss stoppt also zweimal bevor es richtig beschleunigt. Dieser ganze Ablauf geschieht in Nanosekunden. Diese Zeit wird Zündverzugszeit genannt und beträgt bei der Gw Pat 11 und im Karabiner 31 um die 0.55 Millisekunden. Dabei macht das Geschoss einen Weg von 8-12cm bis das komplette Treibmittel verbrannt ist.
Wenn nun der Lauf beim Anschiessen oder auch danach im Betrieb so exzessiv gereinigt wird, dass alle Fremdstoffe entfernt werden und eigentlich nur noch der nackte Stahl vorhanden ist, wird beim nächsten Schuss wieder ein Metall-zu-Metall-Kontakt hergestellt. Was ist nun das Problem damit? Wie beim Automotor wird beim Metall-zu-Metall-Kontakt Material von den sich bewegenden Oberflächen abgeschert. Da nun das Geschoss beim Starten Stop-and-Go hat, wird in diesem Bereich Material im Lauf abgetragen. Wir kennen das von Matchläufen. Wenn diese Läufe “ausgeschossen” sind, wo ist das? Immer direkt hinter dem Patronenlager und möglicherweise kurz vor der Mündung.
Wenn man nun mit Metallurgen und Laufherstellern spricht, ist genau dieser Metall-zu-Metall-Kontakt zu verhindern. Einfache Sache, denkt man und verwendet ein Geschoss mit Moly-Beschichtung. Moly ist eigentlich Molybdändisulfid und als MoS2 Bestandteil von vielen Ölsprays. Viele Laufhersteller weisen Garantieansprüche zurück, wenn MoS2-Geschosse verwendet werden. Bei näherer Betrachtung aus gutem Grund. MoS2ist nicht ein grundsätzliches Problem für Läufe, aber es ist eines wenn es auf die Geschosse aufgebracht ist. Bisher wäre mir aber keine Möglichkeit bekannt die Laufbohrung mit MoS2 dauerhaft zu beschichten. Was passiert? Wenn das Geschoss startet, wird Molybdändisulfid von der Kontaktfläche abgeschert und wird durch die herrschenden Temperaturen und Drücke quasi auf die Laufoberfläche aufgeschmiedet. Zusätzlich wird auch ein Teil des Geschossmantels abgeschert und über der MoS2-Schicht abgelagert. Wiederholt man dies mit mehreren Schuss hintereinander, baut sich ein MoS2-Kupfer-Sandwich im Lauf auf. Dieses Sandwich wird das als “Moly-Ring” sichtbar und ist so hart, dass es selbst mit einer scharfen Spitze nicht mehr ausgekratzt werden kann. Eigentlich eine perfekte Sache, aber am falschen Ort.
Was kann man also tun um einen Lauf auf das Anschiessen vorzubereiten? Um jeglichen Kontakt von Metall zu Metall zu vermeiden? Erster Schritt ist die Behandlung des Felddurchmessers mit einem Honstein. Nichts für schwache Nerven, wird aber meistens bereits bei der Laufherstellung gemacht, um feine Grate aus den Übergängen vom Feld in den Zug zu entfernen und Unebenheiten auf dem Feld einzuglätten. Danach wird eine Mischung aus reinem Molybändisulfit und reinem Alkohol mit Putzlümpchen in den Lauf eingbracht, bis das Laufinnere vollständig benetzt und gesättigt ist. Nach kurzer Zeit verdampft der Alkohol. Jetzt liegt im Prinzip loses MoS2-Pulver im Lauf. Nächster Schritt ist die Verwendung von allerfeinstem und reinem MoS2-Pulver. Dieses Pulver wird mit sauberen Putzlümpchen regelrecht in den Lauf einmassiert. Was nun geschieht ist, dass die letzten und feinsten Kratzerchen durch trockenes Läppen von Hand mit MoS2-Festschmierstoff gefüllt werden und die vielleicht noch überstehenden Oberflächenanteile eingeglättet werden. Damit wird der Lauf spiegelblank im Sinne einer homogenen Oberfläche. Der nächste Schritt ist ein weiteres Auswalzen der Laufoberfläche. Dazu werden ganz einfach ca. 20 Patronen ohne zu Putzen verschossen. Dabei keine Moly-Geschosse verwenden. Fertig.
Ab jetzt kann geschossen und geputzt werden wie es die Situation erforderlich macht. Dabei ist beim Parkdienst folgendes zu beachten: Niemals so exzessiv reinigen, dass der nackte Stahl im Laufinneren freiliegt. Keine Angst vor der Reinigung mittels Bürsten. Nickelrückstände lassen sich mühelos damit entfernen. Dabei zu beachten: nur über den Dorn kaltgehämmerte Laufe vertragen die Reinigung mit einer Stahlbürste! Zur Entfernung der Kupferüberreste kann auf Ammoniak zurückgegriffen werden. Dazu in einem anderen Beitrag mehr.